Beschlüsse Delegiertenversammlung

Positionspapier "Digitale Souveränität von Kommunen in einer digitalisierten Welt"

1. Februar 2022

Digitale Souveränität von Kommunen in einer digitalisierten Welt

Beschluss der digitalen Delegiertenversammlung der Bundes-SGK am 22. Januar 2022

Vorbemerkung
Der Weg in die Digitalität bedarf einer grundlegenden Transformation von Verwaltung und Daseinsvorsorge. Kommunen müssen sich neben den großen Transformationsprozessen wie der Energie- und Mobilitätswende auch dieser herausfordernden Aufgabe stellen.
Der Wandel hin zu einer digitalen Gesellschaft wird durch die fortlaufende Entwicklung immer neuer technologischer Möglichkeiten und Dienstleistungen angetrieben. Kennzeichnend für die Digitalisierung ist dabei die hohe Geschwindigkeit, mit der Innovationen hervorgebracht werden. Weitere Effekte, wie die durch die andauernde Pandemie hervorgerufene, wirken ebenfalls beschleunigend. Treiber der Digitalisierung in den Kommunen sind zum einen, gesetzliche Vorgaben wie die des Onlinezugangsgesetzes, das den Online-Zugang für Verwaltungsleistungen vorschreibt und bis Ende 2022 umgesetzt werden soll und des Datennutzungsgesetzes, das die weitere Nutzung von Daten des öffentlichen Sektors regelt. Zum anderen gilt es, eigene Strategien umzusetzen, die Städte, Gemeinden und Kreise smarter machen und von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich sein können. Diese Strategien in der „kommunalen Welt“ sollten sich daher an den analogen Zielsetzungen der Stadt- und Gemeindeentwicklung orientieren. Insbesondere für kleinere und mittlere Kommunen bedeutet die Bewältigung dieser Anforderungen einen hohen Aufwand.
Vor dem Hintergrund dieser Prozesse ist es wichtig die Souveränität, das heißt vor allem die kommunale Entscheidungsfreiheit zu bewahren, die neuen Technologien sinnvoll einzusetzen und auch für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger Teilhabegerechtigkeit – digital und auch analog - herzustellen.

1. Gemeinwohlorientierung und Digitalisierung
Kommunen und ihre öffentlichen Unternehmen verfügen über eine große Zahl personenbezogener und sonstiger Daten. Die Nutzung von Datensammlungen in öffentlicher Hand ist anspruchsvoll und sollte dem Wohle aller dienen. Letztendlich steckt hinter dem Wunsch nach einfacher Verfügbarkeit aber tatsächlich eine ernsthafte Anforderung an den Nutzen von Digitalisierung. Sie soll das Leben der Menschen einfacher, besser und sicherer machen. Kommunen sind dem Gemeinwohl verpflichtet und wollen nicht nur verwalten sondern auch gestalten. Gemeinwohlorientierung ist ohne weitgehende Unabhängigkeit von privaten unternehmerischen Interessen kaum zu gewährleisten. Dies gilt für unsere Verwaltungen, Bildungseinrichtungen wie auch den Gesundheits-, Mobilitäts- und Energiesektor.

2. Digitale Souveränität von Kommunen
Je weiter einzelne Städte und Gemeinden mit ihren Digitalisierungsbemühungen voranschreiten, umso wichtiger wird es, die entwickelten Fähigkeiten und Lösungen in die Breite bzw. in die Fläche zu bringen, um eine digitale Spaltung zwischen den Kommunen zu verhindern und die Teilhabe für alle Bürgerinnen und Bürger zu sichern. Patentlösungen jedoch sind bei der Vielfalt der Kommunen kaum denkbar und auch nicht wünschenswert. Gute Beispiele durch die Förderung von Modellen wie dies auch heute in den Ländern schon praktiziert wird, können jedoch eine Hilfe bei eigenen Bemühungen sein und als strategische Blaupausen dienen. Gewonnene Erkenntnisse müssen zusammengebracht werden, so entstehen Lerneffekte.
Die Bundes-SGK begrüßt daher das vom Bund neu gegründete Zentrum für Digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung. Es könnte eine wichtige Rolle spielen, um die Abhängigkeit der öffentlichen Verwaltung von bestimmten Technologieanbietern und damit einen Kontrollverlust zu verhindern. Digitale Souveränität wird in der entsprechenden Strategie definiert als „die Fähigkeiten und Möglichkeiten von Individuen und Institutionen, ihre Rolle(n) in der digitalen Welt selbstständig, selbstbestimmt und sicher ausüben zu können“. Um die Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung zu stärken, wollen Bund, Länder und Kommunen enger zusammenarbeiten. Der Wechsel von IT-Anbietern und Produkten als auch die Gestaltungsfähigkeit von Angeboten soll leichter, die Einflussmöglichkeiten auf Anbieter besser werden. Besonders die Nutzung von Open-Source-Produkten wird dabei zentral sein.

3. Digitalisierung der Verwaltung
Auch die Verwaltungsdigitalisierung dient dem Gemeinwesen. Das OZG war nur der Einstieg. Eine konsequente Prozessorientierung ist technologisch möglich, gleichzeitig werden überkommene analoge Verfahren ersetzt. Dies befördert einen Kulturwandel in den Verwaltungen, Kompetenz und Kommunikation rücken in den Vordergrund während Vorstellungen von Hierarchie und Formalismen in den Hintergrund treten. So entstehen Chancen für Bürger:innen und Mitarbeiter:innen zur Teilhabe und Gestaltung des Gemeinwesens und ihrer Arbeit. Die Nutzung digitaler Technologien wird in Zukunft die Arbeitsroutinen in den kommunalen Verwaltungen weiter verändern. Das Personal muss entsprechend aus- und weitergebildet werden. Diese Entwicklungen müssen wir mehr in den Blick nehmen.

Um Unabhängigkeit und Gemeinwohlorientierung in Zukunft zu gewährleisten, müssen folgende Anforderungen an die weitere Digitalisierungsstrategie erfüllt werden.
Forderungen:

  • Telekommunikationsdienste sollten zur öffentlichen Daseinsvorsorge gehören. Um gleichwertige Lebensverhältnisse zu verwirklichen, braucht es den flächendeckenden 5G- Ausbau überall und Glasfaser an jedes Haus und in jede Wohnung!
  • Städte, Gemeinden und Kreise brauchen finanziellen Spielraum für die digitale Transformation. Modellregionen und Projekte sowie die Nachnutzung von Lösungen allein reichen nicht aus, um einen flächendeckenden Wandel zu erreichen.
  • Die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen muss geordnet, fokussiert und stärker an den Erfordernissen der Kommunen ausgerichtet werden. Die Länder sollten die Bundesmittel des Konjunkturpakets zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes den Kommunen für ihre erhöhten Sach- und Personalaufwendungen flächendeckend zur Verfügung stellen. Dies würde auch Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen.
  • Mittelfristig ist das Verhältnis von Bürger:innen und Verwaltung umzudrehen: die digitale Verwaltung macht den Bürger:innen Angebote und erfüllt berechtigte Ansprüche automatisiert; bei voller Souveränität der Bürger:innen über ihre Daten.
  • Kommunen sollen in der digitalen Welt unabhängig entscheiden und handeln können. Die kommunale Familie mit ihren fachspezifischen Verbänden und Dienstleistern ist initiativ beim Einsatz von Open Source Software. Besonders kleine und mittlere Gemeinden brauchen Unterstützung, um dieses Ziel zu erreichen.
  • Mit der fortschreitenden Digitalisierung wird auch die Abhängigkeit von deren technischer Funktionsfähigkeit deutlicher. Kritische Infrastruktur (Gesundheit, Energie, Ernährung, Wasser, usw.) muss besser geschützt werden. Dazu gehören auch die Kommunen selbst, die dabei finanziell von Bund und Ländern ausreichend unterstützt werden müssen. Daher müssen die Themen Sicherheit und Resilienz deutlich stärker in den Fokus rücken.
  • Die Datensouveränität von Gebietskörperschaften und öffentlichen Unternehmen im Interesse des Gemeinwohls muss gewährleistet sein. Die Analyse, Auswertung und Verknüpfung kommunaler Daten bildet eine wichtige Grundlage für die Verbesserung der Daseinsvorsorge.
  • Städte und Gemeinden müssen Zugang zu den Daten haben, die im Zusammenhang mit der Erbringung öffentlicher Dienste entstehen. Dieser Zugang muss auch in Verträgen mit privaten Anbietern explizit sichergestellt werden. Dabei sollte sowohl für den öffentlichen als auch für den privaten Sektor der Grundsatz gelten: „Daten teilen statt besitzen“. Das Datennutzungsgesetz sollte auf diese Anforderungen hin überprüft werden.