Beschlüsse Delegiertenversammlung

Positionspapier: "Vollständige Übernahme der Kosten der Unterkunft durch den Bund ab 2018"

Beschluss der Delegiertenversammlung der Bundes-SGK am 22./23. April 2016 in Potsdam
22. April 2016

 1. Die Delegiertenversammlung der Bundes-SGK fordert die Bundesregierung und Bundestagsfraktionen auf, noch in 2016 dafür Sorge zu tragen, dass der Bund den Ländern die Ausgaben für Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II (KdU) ab dem Jahr 2018    zu 100 Prozent erstattet.

2. Die Delegiertenversammlung der Bundes-SGK erwartet, dass im Rahmen der Verhandlungen über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen eine klare Regelung über die Zuständigkeiten getroffen wird.

Begründung:

Trotz guter Konjunktur sind in den vergangenen zehn Jahren die Sozialausgaben der Kommunen um mehr als 50 Prozent gestiegen. In 2014 summierten sie sich bundesweit auf rund 78 Milliarden Euro. 2004 hatten sie noch bei 51 Milliarden Euro gelegen.

Alleine die Kosten der Eingliederungshilfe sind in NRW auf Grund höherer Fallzahlen von 2,5 Mrd. Euro in 2002 auf über 4 Mrd. Euro im Jahr 2014 gestiegen. Dies obwohl die durchschnittlichen Fallkosten im gleichen Zeitraum von 31.000 Euro auf 27.000 Euro gesunken sind.

Vielen Kommunen bleibt dadurch kaum noch finanzieller Handlungsspielraum, weil die Sozialleistungen bald 50% oder mehr des kommunalen Etats binden.

Dabei war der Einsatz der SPD für die Kommunen bisher durchaus erfolgreich: Der Bund übernimmt seit 2014 vollständig die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und hat zugesagt, die Kommunen ab 2018 in Höhe von 5 Mrd. Euro jährlich von den Sozialkosten zu entlasten. Bis dorthin werden die Kommunen in den Jahren 2015 und 2016 jeweils um eine Milliarde Euro und im Jahr 2017 um 2,5 Mrd. Euro entlastet.

Auch in NRW hat die Rot-Grüne Landesregierung mit dem Aktionsplan Kommunalfinanzen, dem Stärkungspakt und der Neuregelung der Abrechnung der Einheitslasten Beiträge zur strukturellen Verbesserung der kommunalen Haushaltslage geleistet.

All dies ist jedoch weiterhin unzureichend. Ist auch im Finanzierungssaldo der gesamten bundesdeutschen kommunalen Familie ein Überschuss vorhanden, fördert der Blick aufs Detail deutliche regionale Disparitäten zu Tage.

Bereits der Blick auf die trotz positivem Gesamtsaldo kontinuierlich steigenden Kassenkredite (2004 rund 20 Mrd. Euro, 2014 rund 50 Mrd. Euro) zeigt die Zwangslage der Kommunen.

Für 2018 und die Zeit danach ist deshalb eine weitere Entlastung der Kommunen von den Sozialausgaben unumgänglich. Offen ist dabei gegenwärtig, welcher Entlastungsmechanismus der bestmögliche ist. In der Diskussion befindet sich dabei insbesondere die Eingliederungshilfe.

Die Aufgabenverteilung zwischen Landes- und Kommunalebene ist diesbezüglich in den Flächenländern jedoch sehr unterschiedlich geregelt. So wird die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach dem SGB XII in einigen Ländern vollständig oder teilweise durch das Land erbracht, während die Aufgabenträgerschaft in anderen Ländern, beispielsweise Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern oder Hessen bei den Kommunen liegt.

Auf Grund der heterogenen Struktur bei der Finanzierung der Eingliederungshilfe bietet es sich deshalb an, Alternativen zu betrachten, die bundesweit einheitlich geregelt sind und vor allem in struktur- und steuerschwachen Städten und Kreisen die Haushalte stark belasten.
Diese Kriterien erfüllen insbesondere die Wohnkosten der SGB-II-(Hartz-4)-Empfänger.

Mit Einführung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zum 1. Januar 2005 wurde die frühere Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II zusammengeführt.

Die Grundsicherung für Arbeitssuchende umfasst nach § 19 SGB II den Regelbedarf (§ 20 SGB II), Mehrbedarfe (§ 21 SGB II) sowie die KdU (§ 22 SGB II). Während die Leistungen nach § 20 SGB II und § 21 SGB II hauptsächlich vom Bund getragen werden, sind die KdU nach § 22 SGB II größtenteils durch die kommunalen Träger zu finanzieren.

Vor allem wirtschaftsschwache Kommunen mit hoher Langzeitarbeitslosigkeit und geringen Steuereinnahmen ächzen unter den hohen Ausgaben für diese Wohnkosten. Sie beliefen sich 2013 bundesweit auf rund 14 Milliarden Euro. Im wirtschaftsstarken Baden-Württemberg binden sie lediglich 3 Prozent der kommunalen Etats, im strukturschwachen Sachsen-Anhalt hingegen 11 Prozent. Die Belastung der Stadt Magdeburg etwa ist fast zehn Mal höher als jene im baden-württembergischen Kreis Hohenlohe (13,2 zu 1,4 Prozent).

In Nordrhein-Westfalen wurden im Jahr 2014 von den Kreisen und kreisfreien Städten mehr als 3,8 Mrd. Euro für KdU verausgabt. Für NRW bedeutet dies auch den Höchststand der KdU seit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende 2005. Im Ländervergleich trägt NRW die mit Abstand höchsten Aufwendungen für KdU.

Ausgehend von den NRW-Gesamtausgaben für KdU im Jahr 2005 von etwa 3,1 Mrd. Euro mussten die kommunalen Träger im Jahr 2014 Mehrausgaben von über 720 Mio. Euro bzw. 23% aufbringen. Zurückzuführen sind die Mehrausgaben jedoch nicht auf eine steigende Anzahl Anspruchsberechtigter. Diese konnten im Zeitraum 2009 bis 2014 um mehr als 1.700 Personen in Bedarfsgemeinschaften reduziert werden. Gründe für die steigenden KdU sind u.a. steigende Mieten und Energiepreise. Dem Verbraucherpreisindex NRW des Monats Mai 2015 zufolge sind die Bruttomieten in NRW in den Jahren 2005 bis 2010 um 5,2% und im Zeitraum 2010 bis 2014 nochmals um 6,5% gestiegen.

Im Jahr 2014 entstanden den Kreisen und kreisfreien Städten durchschnittliche KdU-Aufwendungen i.H.v. fast 2.400 Euro je Anspruchsberechtigten, welche seit 2009 somit um fast 264 Euro (13%) angestiegen sind. Pro Einwohner in NRW (ca. 17,6 Mio.) ergibt sich eine Pro-Kopf-Belastung durch KdU von 218 Euro; auch diese stieg seit 2009 um 27 Euro bzw. 14%.

Neben den ohnehin wachsenden KdU-Belastungen ist künftig auch von steigenden Aufwendungen aufgrund einer zunehmenden Anzahl von Anspruchsberechtigten auszugehen: Viele der derzeit einwandernden Flüchtlingen und Asylberechtigten werden in den kommenden Jahren Anspruch auf KdU erhalten.

Eine Übernahme der KdU wäre auch ein verfassungsrechtlich gangbarer Weg denn bereits heute beteiligt sich der Bund an dieser Leistung. Die Kreise und kreisfreien Träger haben somit nicht 100% der tatsächlich verausgabten KdU zu tragen, sondern einen Kommunalanteil der sich aus den KdU abzüglich der Bundesbeteiligung ergibt.

Die prozentuale Bundesbeteiligung setzt sich aus einem Sockelbetrag nach § 46 Abs. 5 SGB II sowie einer variablen Erhöhung nach § 46 Abs. 6 und 7 SGB II zusammen, die zur Finanzierung des Bildungs- und Teilhabepakets vorgesehen ist. Zudem wurde mit dem § 46 Abs. 7a SGB II die Bundesbeteiligung an den KdU im Jahr 2014 genutzt, um Finanzmittel für besonders von der Zuwanderung aus EU-Mitgliedsstaaten betroffene Kommunen an die Länder zu transportieren.

Von den im Jahr 2014 in NRW insgesamt verausgabten KdU i.H.v. 3.839 Mio. Euro mussten 2.779 Mio. Euro (72,4%) durch die kommunalen Träger aufgebracht werden. Die Bundesbeteiligung von insgesamt 27,6% brachten den Kreisen und kreisfreien Städten Entlastungen von insgesamt 1.059 Mio. Euro.

Wenn dieser Kostenanteil ausgeweitet würde, käme das insbesondere wirtschaftsschwachen Regionen zu Gute.

Die entlastende Wirkung für solche Städte und Kreise wäre enorm, errechnet eine Studie der Bertelsmann Stiftung: In Nordrhein-Westfalen etwa würden durch diese Maßnahme rund 75 Prozent der jährlichen Defizite in den Kommunalhaushalten getilgt.