Beschlüsse Delegiertenversammlung

Positionspapier "Wohnungspolitische Anforderungen aus kommunaler Sicht"

23. November 2018

Wohnungspolitische Anforderungen aus kommunaler Sicht

Beschluss der Delegiertenversammlung der Bundes-SGK
am 23./24. November 2018 in Kassel

Vorbemerkung:

Die Wohnungs- und Immobilienmärkte sind aus den Fugen geraten. In den Schwarmstädten und den wachsenden Städten, Gemeinden und Kreisen übersteigt die Nachfrage deutlich die Angebote. Die Konsequenz sind steigende Immobilienpreise und Mieten. Das betrifft insbesondere das Wohnungs­marktsegment des preiswerten Mietwohnraums, auf das die Bevölkerung mit niedrigem und mittle­rem Einkommen überwiegend angewiesen ist. Insofern entwickelt sich die Wohnungsfrage in den be­troffenen Stadtregionen zunehmend zu der sozialen Frage. Wenn Wohnraum nicht mehr angemietet werden kann oder hierfür ein Großteil des Einkommens verwendet werden muss, führt dieses zum Ausschluss immer größerer Bevölkerungsgruppen und verschärft die soziale Segregation zwischen den Einkommensgruppen in den Stadtregionen. Gentrifizierungsprozesse erzeugen Verdrängungs­prozesse ärmerer Bevölkerungsgruppen aus den beliebten Vierteln und Orten.

Demgegenüber stehen zahlreiche Städte, Gemeinden und Kreise in Deutschland, die durch Schrum­pfungsprozesse, Abwanderung und den Folgen des demografischen Wandels geprägt sind. Hier verlieren die Wohnimmobilien an Wert. Dörfer, Stadtteile und Siedlungen sind durch Leerstände gezeichnet. Es stellt sich die Frage, wie eine wohnortnahe Infrastruktur aufrechterhalten bleiben und das Leben lebenswert gestaltet werden kann.

Mit der Zielsetzung der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist auch das Ziel verbunden, diese auseinanderdriftende Entwicklung zu verlangsamen, zu stoppen oder im besten Fall sogar umzudrehen. Damit könnte eine Entspannung deutlich überlasteter Märkte eintreten. In einer freien Welt mit freier Arbeitsplatz- und Wohnortwahl müssen wir aber mit vorhandenen Entscheidungen von Wirtschaft und Bevölkerung leben und müssen auf die jeweilige regionale Situation mit unseren politischen Mitteln reagieren und möglichst vorausschauend Handeln.

Die Unterschiedlichkeit der Verhältnisse vor Ort muss bei der Wohnungspolitik von Bund und Län­dern immer mitberücksichtigt werden. Erforderlich ist eine Wohnungspolitik die vor allem zwischen Ländern und Kommunen ausgehandelt werden muss. Der Bund kann einen unterstützenden Rahmen setzen.

Wohnungspolitische Anforderungen aus kommunaler Sicht

1. Sozialer Wohnungsbau

Durch Objektförderung beim Bau neuer Wohnungen insbesondere im Geschoßwohnungsbau werden langfristige Mietpreisbindungen niedriger Einstandsmieten (Bewilligungsmieten) vertraglich mit den Bauherren vereinbart. Eine Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus mit neuen langfristigen (30 bis 40 Jahre) Bindungen ist in Knappheitsgebieten erforderlich.

Durch vertragliche Vereinbarungen werden bestehende Bindungen verlängert. Darüber hinaus soll­ten Fördermittel für den Ankauf neuer Bindungen auch im Bestand gewährt werden.

Grundsätzlich muss in Wachstumsregionen gelten: Keine Schaffung von Baurechten im Geschoßwoh­nungsbau ohne Berücksichtigung des sozialen Wohnungsbaus. Städte und Gemeinden müssen hier die Möglichkeiten ihrer Planungshoheit nutzen und entsprechende Festsetzungen bei der Auswei­sung von Bauland und der Schaffung von Baurechten vornehmen bzw. mit den Investoren aushan­deln.

Es werden differenzierte Förderprogramme für unterschiedliche Zielgruppen z.B. für barrierefreies Wohnen gebraucht. Die Länder müssen neben der Förderung einer sehr niedrigen Miete für Woh­nungssuchende mit Wohnungsberechtigungsschein niedriger Einkommen auch Förderpro­gramme für Angebote mit mittleren Mieten schaffen, zu denen dann auch mittlere Einkommen Zugang haben.

Bund und Länder müssen die zur Verfügung gestellten Mittel für Programme des sozialen Woh­nungs­baus erhöhen und dauerhaft verstetigen. Die vorgesehene Grundgesetzänderung, die es dem Bund erst ermöglichen wird, sich nach 2019 weiterhin an der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zu beteiligen, ist deshalb unbedingt erforderlich.

2. Unterstützung sozial orientierter Wohnungsbaugesellschaften

Die Kommunen sind aufgefordert, sich auch mit eigenen Gesellschaften im Wohnungsbau viel stärker zu betätigen. Kommunale Wohnungsbauunternehmen müssen wirtschaftlich handeln, obliegen aber nicht den Zwängen privater renditeorientierter Unternehmen und können deshalb anders kalkulie­ren, Förderprogramme umfangreicher in Anspruch nehmen und insgesamt mit ihren Beständen eine mietpreisdämpfende Wirkung in den Märkten entfalten.

Gleiches gilt für viele Genossenschaften und andere sozialen Träger des Wohnungsbaus. Auch die Wiederbelebung des Werkwohnungsbaus durch das Engagement größerer Unternehmen anderer Sektoren in sozialorientierten Wohnungsbaugesellschaften ist eine Möglichkeit. Bund, Länder und Kommunen sollten für diese Zielgruppe von Wohnungsunternehmen und Vermietern  neue geeignete Förder- und Anreizinstrumente schaffen.

3. Möglichkeiten zur Standard- und Baukostenabsenkung nutzen

Die industrielle Produktion von Fertigteilen, Möglichkeiten des seriellen Bauens können Baukosten­senkungen bewirken, die es erlauben, mehr Wohnungen in kürzerer Zeit für den Markt bereit zu stellen. Es gilt allerdings, städtebauliche Fehlentwicklungen der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Preiswerte Lösungen für studentisches Wohnen sollten genutzt werden. Über die Möglichkeiten reduzierter Wohnflächen muss ebenfalls gesprochen werden. Standardabsenkungen dürfen aber nicht die Ziele einer Erhöhung der Energieeffizienz und des Schaffens von mehr barrierefreien Wohnraum unterlaufen.

4. Notwendigkeit einer regional abgestimmten vorausschauenden Baulandpolitik

Um einen verstärkten sozialen Wohnungsbau in wachsenden Regionen zu realisieren, bedarf es einer aktiven Liegenschaftspolitik der Kommunen. Bei der Schaffung von Baurechten muss ein Anteil an sozialem Wohnungsbau durchgesetzt werden (Modelle sozial gerechter Bodennutzung oder Konzept­ver­gabe). Voraussetzung ist eine entsprechende Bauland- und Bodenvorratspolitik. Die Möglichkei­ten des Erbbaurechts zur dauerhaften Sicherung öffentlicher Liegenschaften in öffentlichem Eigen­tum sollten hierbei genutzt werden. Insbesondere in den stark wachsenden Regionen mit geringen Flächenreserven bedarf es eines verstärkten regionalen Flächenmanagements zur Ausweitung des Angebotes.

Die Liegenschaftspolitik von Bund und Ländern darf nicht den Kriterien einer kurzfristigen Verwer­tungslogik folgen. Sie muss sich an den stadtentwicklungs- und wohnungspolitischen Erfordernissen orientieren. Dies sollte seinen Niederschlag im BIMA-Gesetz und den Verbilligungsrichtlinien des Haushaltsauschusses des Bundes finden. Die Veräußerungspreise sollten deutlich abgesenkt werden.

5. Baulandmobilisierung und Bekämpfung von Spekulation

Der Bund hat eine Expertenkommission „Baulandaktivierung“ eingesetzt. Aus Sicht der Bundes-SGK sollte diese Kommission zügig eine Novellierung des Bau- und Planungsrechts vorbereiten, mit der die kommunalen Vorkaufsrechte gestärkt, ein Instrument der städtebaulichen  Innenentwicklungs­maßnahme zur Aktivierung von Baulücken und die Stärkung der Baugebote zur Bekämpfung von Spekulationen mit für den Wohnungsbau geeigneten innerstädtischen Grundstücken vorgenommen wird.

Im Rahmen der vorgesehenen Reform der Grundsteuer sollte zudem eine Grundsteuer C auf solche Grundstücke, die von der Bebauung zurückgehalten werden, eingeführt werden.

Unabhängig von einer Verbesserung des Rechtsrahmens sind die Kommunen aufgefordert, das bestehende Instrumentarium des besonderen Städtebaurechts mit der städtebaulichen Entwick­lungsmaßnahme und den Baugeboten anzuwenden.

6. Instrumente zur Stärkung der Märkte in Regionen mit Bevölkerungsrückgängen

In schrumpfende Regionen, in denen sich aufgrund von deutlichen Abwanderungsprozessen und rückläufigen Bevölkerungszahlen Wohnungsleerstände mehren, bedarf es eines Instrumentariums, um einer dauerhaften negativen Entwicklung entgegenzuwirken. Deshalb müssen auch hier die darauf abzielenden Teilprogramme der Städtebauförderung weiterentwickelt werden. Die Kommu­nen müssen Stabilisierungsmaßnahmen zur Erhaltung städtebaulicher Qualitäten, den Abriss nicht mehr benötigter Gebäude und Schrottimmobilien, die neue Entwicklungen verhindern, sowie die Umnutzung von Brachen durchführen und finanzieren können.

In diesem Zusammenhang befürworten wir auch die bessere Anwendbarkeit des Rückbaugebotes für Schrottimmobilien unabhängig von einem Bebauungsplanverfahren und die Verpflichtung der Eigen­tümer zur Kostentragung, um Spekulation und Leerstand entgegenwirken zu können.

Aus Sicht vieler Kommunen sollte die Finanzierung der Folgenutzungen brach gefallener Flächen und Liegenschaften z.B. durch einen von den jeweiligen Ländern für diesen Zweck zu schaffenden Grund­stücks- und Immobilienfonds unterstützt werden, da die Kommunen selber oft nicht über genügend Mittel verfügen oder es ihnen aufgrund der bestehenden Verschuldung seitens der Kommunalauf­sicht untersagt wird, eigene Grundstücks- und Immobilienkäufe vorzunehmen.

7. Ausweitung und Erhöhung des Wohngeldes

Das Wohngeld sollte durch eine deutliche Anpassung der Leistungen nach oben an die Miet- und Einkommensentwicklung in den Regionen so weiter entwickelt werden, dass es seiner ursprünglichen Funktion als vorgelagertes System zur Sozialhilfe wieder gerecht wird. Kein Haushalt sollte nur aufgrund der Wohnkosten auf Leistungen des Jobcenters angewiesen sein müssen. Das Wohngeld muss seiner Funktion, Armutsrisiken abzudecken, die allein mit den hohen Kosten des Wohnens verbunden sind, wieder gerecht werden. Dabei gilt es, die Entwicklung der zweiten Miete, also die Kosten für Strom, Heizenergie, Wasser und andere öffentliche Dienstleistungen mit in den Blick zu nehmen.

Bei der Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende wurde seinerzeit das Wohngeld für Sozialhilfeempfänger abgeschafft und die Kosten der Unterkunft (KdU) als von den Kommunen zu tragende Leistung der Grundsicherung für Arbeitssuchende bestimmt. Bei den KdU handelt es sich um eine Vollkostenerstattung der sogenannten „angemessenen Wohnkosten“. Im Wohngeld, wel­ches durch Bund und Länder finanziert wird, verblieben nur noch deutlich weniger Haushalte, die aufgrund ihres Status keinen Anspruch auf KdU haben, wie z.B. Studenten, Rentner und Haushalte mit Einkommen knapp oberhalb der Bezugsberechtigung von KdU im SGB II.

Zumindest für alle Haushalte, die nur wegen der zu hohen Wohnkosten in den Bezug von KdU gelangen, sollte das Wohngeld so angepasst werden, dass es den Leistungen der KdU entspricht. Dabei sollte hinsichtlich der Nebenkosten eine Pauschalierung erfolgen, um Anreize für die betrof­fenen Haushalte zu setzen, ihre Verbrauchskosten möglichst niedrig zu halten.

Eine auf diese Weise verstärkte Subjektförderung könnte in stark wachsenden und sich zumindest teilräumlich dynamisch entwickelnden Märkten einen wichtigen Beitrag zum bezahlbaren Wohnen leisten.

8. Mietenpolitik

Unsere mietenpolitischen Forderungen zielen auf eine stärkere und regionalisierte Begrenzung von Mieterhöhungen sowohl bei der Modernisierung und bei bestehenden Altmietverträgen als auch beim Abschluss von Neumietverträgen im Bestand.

Das Mietrechtänderungsgesetz, welches vom Kabinett der Bundesregierung Anfang September 2018 beschlossen wurde, sieht eine über den bisherigen Stand hinaus reichende Verpflichtung der Vermie­ter vor, die Vormieten bei einer Neuvermietung offenzulegen. Dadurch soll die maximale Erhöhung der Miete bei Neuvermietungen um 10% gegenüber der Vormiete (sogenannte Mietpreisbremse) besser durchgesetzt werden können. Zugleich wurde für Gebiete mit angespannten Wohnungsmarkt beschlossen, die Modernisierungsumlage zunächst für einen Zeitraum von fünf Jahren von 11% auf
8 % abzusenken und eine maximale Erhöhung der Mieten um 3 Euro/qm zuzulassen.

Die Bundes-SGK setzt sich für eine dauerhafte Absenkung der Modernisierungsumlage ein. Darüber hinaus unterstützt sie den Vorstoß der SPD-Spitze mit der Forderung nach einem Mietenmoratorium in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten. In den nächsten fünf Jahren sollen Mieten nur noch um die inflati­onsbedingte Preissteigerung erhöht werden dürfen.