DEMO Impulse Nr. 4 / Oktober 2016 "Demokratische Teilhabe in Kommunen"

Autor/innen: 
Frauke Janßen, Valentina Kerst, Dr. Thomas Kuder, Ramona Schumann, Jann Jakobs
Erscheinungsjahr: 
2016

teil|ha|ben: beteiligt sein; teilnehmen; partizipieren. Soviel zu der Bedeutungserklärung im Duden, aber was verstehen wir eigentlich unter Teilhabe? Die jüngst stattgefundenen Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin wiesen eine höhere Wahlbeteiligung auf als die Wahlen im Jahr 2011: plus 10,4 % in Mecklenburg-Vorpommern und plus 6,7 % in Berlin. Ein Grund zur Freude und der Ausdruck von mehr demokratischer Teilhabe? Die hohen Ergebnisse für die AfD lassen einen anderen Schluss zu: Hier sind viele Menschen (wieder) an die Urne gegangen, gerade weil sie sich nicht beteiligt und nicht ausreichend repräsentiert durch die bisherige Parteienlandschaft fühlen. Weiterhin kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass seit längerem bei Wahlen (insbesondere auf kommunaler Ebene) vor allem eine „Partei“ stark ist: Die „Partei“ der Nichtwähler.

Neben der Teilnahme an repräsentativen Wahlen gibt es mittlerweile viele Wege für Bürgerinnen und Bürger sich einzubringen und ihr Lebensumfeld mitzugestalten – Bürgerbeteiligung erfreut sich größter Beliebtheit und gilt vielen als Allheilmittel für die Revitalisierung der demokratischen Partizipation. Neben vielen innovativen Beispielen einer lebendigen und gelingenden Beteiligungskultur wird aber auch Kritik laut. Diese bezieht sich nicht nur darauf, dass Beteiligung oft nur Information über bereits Entschiedenes meint und keine reale Mitbestimmungsmöglichkeit bietet. Im Kern steht die Frage, ob Bürgerbeteiligung in ihrem Zuschnitt nicht oftmals politische und soziale Ungleichheit reproduziere statt demokratische Teilhabe für verschiedene Milieus zu befördern. Damit beschäftigt sich auch Dr. Thomas Kuder vom vhw-Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. in seinem Beitrag. Er stellt die Frage, wie Partizipation in der lokalen Demokratie organisiert werden kann und was notwendig ist, um Beteiligungsverfahren so zu gestalten, dass soziale und politische Ungleichheiten durch Bürgerbeteiligung nicht noch verstärkt werden – also keine Demokratie von Etablierten entsteht.

Bürgerinnen und Bürger auch in konkrete Entscheidungsprozesse frühzeitig auf Augenhöhe einbinden kann zu tragfähigen Entscheidungen führen und Frustration vermeiden. Trotzdem sind Formen der direkten Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern in Entscheidungen nicht ohne Brüche im politischen Aushandlungsprozess. Ramona Schumann, Bürgermeisterin der Stadt Pattensen in der Region Hannover, beleuchtet in ihrem Beitrag wo Beteiligungsformen ihre Grenze erfahren und wie Politik und Verwaltung mit einem gesteigerten Bedürfnis nach Beteiligung umgehen, insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalisierung.

Die Beiträge von Jann Jakobs, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam und Valentina Kerst, Co-Gründerin der Initiative Internetstadt Köln geben Einblick in zwei konkrete Beteiligungsprozesse. Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Potsdam hat im Juni dieses Jahres die Verstetigung des Modellprojektes „Strukturierte Bürgerbeteiligung“ in Potsdam beschlossen – eine Bestätigung diesen Weg der Beteiligung in Potsdam weiter zu gehen und gleichzeitig die Aufforderung weiterhin im stetigen Entwicklungsprozess zu bleiben, wie Jann Jakobs beschreibt. Auch Valentina Kerst beschreibt einen Entwicklungs-, vor allem aber auch Erkenntnisprozess, der in der Überzeugung mündet, dass der erfolgreiche Umgang mit dem Thema Digitalisierung in Kommunen nur mit breiter Beteiligung erfolgreich sein wird. Wir wünschen den Leserinnen und Lesern dieser Ausgabe im wahrsten Sinne des Wortes neue Impulse für die Weiterentwicklung der lokalen Demokratie in ihrem Umfeld.